THE GOLDEN AGE [Mai 2019]

Vom 10.05.19 bis 12.05.19 findet die baltic art weekend in der Kunsthalle Rostock statt. Wir sind mit einer Arbeit Teil der Präsentation des Kunstvereins zu Rostock. 





Ob in der Philosophie, Architektur oder Politik, der Begriff Genius Lociselbst ist eine Referenz, ein Werkzeug, mit dem man Orte beschreibt. Das Wort Ort ist natürlich nicht der Ort selbst und je mehr wir uns mit dem Genius Loci auseinandersetzten, desto weiter sind wir auch von seiner physischen Präsenz entfernt. Orte werden in erster Linie phänomenologisch erfahren, sie entstehen durch die Aufmerksamkeit, die wir ihnen zollen, durch den staunenden Blick unseres Auges, durch die Berührung unserer Hand, durch den einprägenden Klang in unserem Ohr, durch die Konzepte und Erzählungen, die wir, wenn auch nur momentan, auf ihren Oberflächen abladen. Der Spirit eines Ortes ist nicht etwas, das für immer und ewig in Stein gemeißelt sein muss. Er ändert sich, wenn sich die Bedeutung eines Ortes ändert.



Am Anfang des Baus der ersten Atomkraftwerke stand die Utopie einer aus kostengünstiger und nie versiegender Energie gespeisten Klimatisierung der Umwelt. „Ein Pfund von diesem Material reicht um eine ganze Stadt zu beleuchten“ schrieb die Illustrierte „Life“[1958] unter einem abgelichteten strahlenden Uranbrocken. Der verschwenderische Umgang mit künstlichem Licht wurde zum Zeichen für urbane, unabhängige und freiheitliche Lebensweise. Im Jahr 1954 ging das erste kommerziell betriebene Atomkraftwerk im russischen Obninsk ans Netz. Heute sind mittlerweile weltweit 440 Kernreaktoren mit dem Stromnetz synchronisiert und es werden immer mehr Orte an denen diese schwer kontrollierbaren Kräfte walten. Es gibt aber auch Länder wie Irland, Neuseeland, Philippinen, Kuba oder Deutschland die sich aus verschiedensten Gründen gegen diesen Weg der Energieerzeugung entschieden haben. Nach den religiösen Vorstellungen der Polynesier sind „unberührbare Dinge“ mit einem Verbot belegt. Tabuisierte Dinge müssen streng gemieden werden, da sie gefährliche Kräfte besäßen. Zum Tabu gehört auch, dass es nicht hinterfragt werden darf, da es als „heilig“ gilt.Wir haben das Gefühl, dass in vielen Regionen der Erde mittlerweile die Atomkraftwerke zu „heiligen“ Tabuzonen mutiert sind. Spannend wird es sein, wie zukünftige Generationen mit unseren schwerverdaulichen Erbe der Energieerzeugung umgehen werden? Wird die Architektur der gewaltigen fensterlosen Volumina mit ihrem gefährlichen Innenleben zukünftig noch in irgendeiner Form unserer heutigen Definition des Genius loci gerecht? Oder haben wir schon unbewusst den Countdown für das kollektive Ende aller Genius loci gestartet?