AM GRUNDE DES BLÜMCHENKAFFEES [Juli 2012]


Im Magazin Stadtgespräche Ausgabe 67 - Juni 2012 wurde ein Artikel über die forschungsgruppe kunst veröffentlicht. Wir wurden innerhalb dieses Artikels aufgefordert, uns beim Autor zu melden. Diesem Wunsch konnten wir irgendwie nicht widerstehen. 










Artikel Stadtgespräche Ausgabe 67 – Juni 2012:

DIE FORSCHUNGSGRUPPE KUNST – anonym
von Amanda Anonyma

Vor kurzem bekam ich eine Einladung von einer Forschungsgruppe-Kunst. Das fand ich ausgesprochen spannend. Ich bin ein großer Fan von Forschungsprojekten und Kunst, habe ich mal selbst versucht, um es wieder aufzugeben und dann viele Jahre zu begleiten. Also war ich ganz neugierig: Wer will hier gleichzeitig forschen und Kunst machen?
Spannend: Die echten Forscher, die nach bestimmten Regeln versuchen, einen Erkenntnisgewinn für uns alle zu organisieren. Und nach dem Bindestrich die Kunst, die ja gegenwärtig im Selbstzweifel darüber erstarrt, ob sie nun weiterhin den Boheme aus der Joseph Beuys-Zeit pflegen soll, um zwischen aufschäumend und abtörnend umherzutingeln, oder doch lieber die Erkenntnisse aus dem inzwischen obligatorischen Existenzgründerseminar anwenden, um die Freiheit der Kunst gegen ein- meist prekäres- Arbeits- oder Anbieterverhältnis einzutauschen. Also schaute ich interessiert nach, wer denn diese beiden, sich nicht unbedingt überschneidenden, aber doch möglicherweise beeinflussenden, Systemseiten in einem Namen vereinigt und was das denn zu bedeuten hat. Was ich erfuhr: Man lud mich ein mitzutun. Nur war leider nicht zu erkennen, von wem diese Einladung stammte. Keine Unterschrift, keine Name, kein Verweis auf Personen.
Ich war verwirrt. Nun finde ich schon mal einen Ansatz überraschend und dann... NICHTS. Da will offensichtlich niemand mit mir ins Gespräch kommen. Und das, obwohl ich aufgefordert werde, mich an Veranstaltungen und deren Vorbereitung zu beteiligen. Wessen Veranstaltung? Wessen Überlegungen und Zielverfolgung?- Keine Antwort. Okay, ich fand eine www-Adresse.
Glücklich warf ich sie dem Großmogul Google in den Rachen: jetzt würde sich hoffentlich das Geheimnis lüften. Eine Webseite erschien, von Revolution im eingefahrenen Kulturbetrieb ist dort die Rede, sehr wenig nach wirklicher Forschung riechend, wie man das so kennt, so mit konkreten Fakten und Zahlen und Analysen und dann Schlussfolgerungen. Dafür viel manifestierte Wunschvorstellung, aufgeschrieben als Manifest für den Kulturpolitischen Wandel, natürlich wieder ANOMYM. Jetzt werde ich unruhig. Ein anonymes Manifest zur Kulturveränderung????? Wer mag so etwas initiieren? Und vor allem: Wer sollte solch einem Dekret aus dem Nirvana folgen?
Ein Manifest ist, wie vieles unsere Sprache, dem Lateinischen entlehnt und bedeutet so etwas wie „handgreiflich gemacht“, abgeleitet meinend „sehr handfest, greifbar“. Dahinter verbirgt sich im üblichen Sinne eine öffentliche Erklärung von Zielen und Absichten. Im allgemeinen Sprachgebrauch steht das Wort Manifest heute für „offenbar, offenkundig“. Hier aber war nichts offenbar: Erneut ließ sich nirgends erkennen wer wen zu was animieren will.
Nun wurde ich ärgerlich: Anonym eine öffentliche Erklärung, noch dazu im Sinne einer greifbaren Idee, abzugeben, finde ich jetzt ja doch vom Fuß auf den Kopf gestellt. Schließlich weckt ein Manifest durchaus heroische Gedanken, klingt nach Aufruf zur (Welt-)Revolution. Marx verband seines seinerzeit allerdings mit seinem Namen und kassierte dafür sowohl den Ruhm als auch, postmortal, die neuzeitliche Bedenken und Kopfschütteln. Soll heißen: Er stellte sich, fungierte als Ansprechpartner, für Sympathisanten wie Kritiker.
Eine Aufforderung zur Kulturrevolution zu unterstützen, ohne das ich erfahre wer dies von mir fordert, erscheint mir paradox. Bisher habe ich meine Entscheidung zur Mitwirkung auch immer hergeleitet aus dem Wissen um die Initiatoren des besagten Ansinnens. Sie machten abschätzbar, was einen erwartet. Man kennt sich ja in Rostock.
Und so stelle ich aktuell Forschungen über die Forschungsgruppe Kunst an, weil ich gern wissen möchte, wer so absurde Appelle in so einer nachhaltig als konservativ einzuschätzenden Stadt in den Raum stellt. Solch ein Vorgehen mag ja in Berlin oder Hamburg als illuster durchgehen, da hat ja schon die eine oder andere Idee durchaus wider Erwarten Resonanz gehabt. Aber hier in Rostock kann man nur zu der Auffassung kommen, die Verfasser seien entweder ortsunkundig oder naiv. Habe also beschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen. Nun kommt mal die studierte Wissenschaftlerin in mir zum Einsatz.
Wie mache ich das. Natürlich ist Amanda Anonyma nicht mein richtiger Name. Sondern symbolisiert meine wissenschaftliche Methode: die der Rekonstruktion. Kriminologen stellen Situationen nach, um sich einzufühlen in die Gedankengänge von Tatverdächtigen. Im Selbstversuch erarbeite ich mir also das Gefühl, unsichtbar zu sein. Vor meinen geistigen Auge taucht die Tarnkappe auf, vorn mit der Aufschrift Forschungsgruppe Kunst (heutzutage selbstredend ein Basecap). Wenn ich die aufsetze, so gibt das Märchen Anlass zu hoffen, werde ich aufgenommen in die Gruppe der Unsichtbaren, verstehe den Beweggrund für die Forschungsgruppenanonymität.
Vielleicht klappt das ja. Also liebe Forschungsgruppe: Bitte meldet euch!!!! Von anonym zu anonym. Wenn das nicht zum Erfolg führt, versuche ich als Nächstes mit Handzetteln, bitte die Bevölkerung um Mithilfe bei meiner Suche nach unsichtbarer Kunst oder Forschung. Phantombild nicht vorhanden, da man Unsichtbare nicht zeichnen kann. Sachdienliche Hinweise bitte an Amanda Anonyma!


Unsere Antwort per Email an info[at]stadtgespraeche.de:
13.07.12 00:01 Uhr

Betreff: Ausgabe 67 / Die Forschungsgruppe Kunst – anonym

Ahoj Redaktion Stadtgespräche,
über den Artikel von Amanda Anonyma haben wir uns sehr amüsiert.
Leider ist das Synonym von Herrn oder Frau Amanda Anonyma aufgeflogen. Denn eins ist klar, diesen Text hat Miss Jane Marple geschrieben. Der Artikel erinnert an Ihre großen Fahndungserfolge Vier Frauen und ein Mord, Der Wachsblumenstrauß oder 16 Uhr 50 ab Paddington.
Der Täter muss auf diesen Text reagieren, er wird sich zu erkennen geben und dann ist er überführt. Danach kann Miss Marple weiter gemütlich an Ihrem Tee nippen und die Welt ist wieder im Gleichklang. Und wie immer behält Sie mit Ihrem Anfangsverdacht Recht.

WIR DIE forschungsgruppe kunst GESTEHEN:

Die forschungsgruppe kunst ist eine temporäre, je nach Projekt, mal größer oder kleiner aufgestellte Einheit. Unsere „Forscher“ kommen aus der angewandten und der bildenden Kunst, aus dem Bereich Design und Kreative mit ARTfremden Berufsbildern. Jeder der bei uns aktiv ist, kann sich unter dem Deckmantel der Anonymität ausprobieren und gemeinsam mit anderen „Forschern“ neue Projekte entwickeln. Wir wurden durch den fiesen und egozentrischen Rostocker Kulturbetrieb in die Anonymität getrieben. Wir wollten das alles nicht, es lag nicht in unseren Händen. Ehrlich!
Wir hätten unsere widerlichen Experimente und deren Ergebnisse nicht in der Öffentlichkeit präsentieren dürfen. Denn so sind Sie uns auf die Schliche gekommen. Respekt!
Wie scharfsinnig Sie unsere versteckte Webseite www.forschungsgruppe-kunst.de entdeckt haben, beweist Ihren analytischen Verstand. Wir wollten Verwirrung stiften und haben unter Kontakt unsere Email Adresse hinterlegt. Sie haben es erkannt und uns nicht kontaktiert. Was sehr geschickt von Ihnen war, denn so wiegten wir uns weiterhin in Sicherheit.
Auch unsere unter Labor getarnten Projektbeschreibungen sind Ihnen nicht entgangen.
Ihre klaren und strukturiert heraus gearbeiteten Unterschiede zwischen Forschung und Kunst lassen uns zu Eis erstarren. Dabei wollten wir nur in der Praxis ein wenig experimentieren um die Überwindung von akademischen Regeln und Einteilungen zu erreichen.
Ein schwerer Schlag ins Kontor war für uns Ihre Aufdeckung unserer kulturellen Weltverschwörung unter dem Deckmantel des MANIFEST FÜR DEN KULTURPOLITISCHEN WANDEL. Mit langweiligen lokal politischen Metaphern wollten wir die Machtzentren dieser Erde beeinflussen und verändern. Unsere Forderung nach Einstellung eines Leiters des Kulturamtes suggeriert unterschwellig, die kulturrevolutionären Thesen von Mao Zedong wieder aufleben zulassen.

Wenn Sie aber Ihre Geheimwaffe, die Tarnkappe einsetzen, werden alle anderen Kriminologen zu mittelalterlichen Langweilern.


                  Gnade Miss Marple!

Ihren Artikel und unsere Antwort werden wir auf der enttarnten Webseite www.forschungsgruppe-kunst.de veröffentlichen.